BRD: Offizier als Refusnik anerkannt

Ein Offizier weigerte sich, weiter an einem Softwareprogramm zu arbeiten, welches er als Mitwirkung am Irak-Krieg begriff. Die Bundeswehr degradierte ihn umgehend, wollte ihn sogar hinauswerfen. Er ging dagegen bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) - und gewann. Er begründete dies damit, dass er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, Befehle zu befolgen, mit denen Kriegshandlungen in Irak unterstützt würden. Er war wegen dieser Verweigerung vom Truppendienstgericht Nord im April 2004 zum Hauptmann degradiert worden. Der Wehrdisziplinaranwalt klagte sogar auf Entlassung aus der Bundeswehr. Das Bundesverwaltungsgericht konnte keinen Verstoß die Gehorsamspflicht erkennen:

Der Befehl zur Mitarbeit an dem logistischen Software-Programm habe das Grundrecht auf Gewissensfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes "nicht verdrängt". Deshalb sei der Befehl für den Soldaten "unverbindlich" gewesen. Sein Vorgesetzter habe "ausdrücklich nicht ausschließen können", dass mit der Arbeit am Projekt eine Beteiligung am Irak-Krieg unterstützt werde. Seitdem könnte feststehen - die Begründung des Urteils bleibt abzuwarten - daß die Bundesrepublik entgegen den durchsichtigen Lügen der Bundesregierung sehr wohl durch mehr als nur "Duldung" (GBA Nehm) am Krieg beteiligt war (und ist).

Spiegel 22.06.2005 Gewissensfreiheit gilt auch bei Bundeswehr www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,361609,00.html

Die FR führt zu seiner Begründung näher aus:

Der Soldat hatte den unter US-Regie geführten Irak-Krieg als völkerrechtswidrig beurteilt. Dabei war er von einer mittelbaren Beteiligung der Bundeswehr ausgegangen - weil Bundeswehrangehörige in Kuwait stationiert waren, sich deutsche Soldaten an Awacs-Aufklärungsflügen der Nato beteiligten, US-Liegenschaften in Deutschland bewachten und die US-Streitkräfte in Deutschland Überflug- und Landerechte hatten. Das seien "verfassungs- und völkerrechtswidrige Unterstützungsleistungen", argumentierte der Major.

FR 23.06.2005 (Meng/Baum): Irak-Krieg rechtfertigt Befehlsverweigerung Gericht billigt Bundeswehrmajor Gewissensgründe zu

Die Pressemitteilung des BVerwG vom 21.06.2005 findet sich als Dokumentation unter TOP 10. Wer sie sich selbst im Netz holen will:

BVerwG 2 WD 12.04 - Urteil vom 21. Juni 2005 www.bundesverwaltungsgericht.de/enid/dd171f6eff8417f2ab9194add1ffcf89,1338f77365617263685f646973706c6179436f6e7461696e6572092d0935353435/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen_9d.html

Erste Kommentare zum Urteil:

Die FR ist hoch erfreut:

Denn verweigert hat nicht nur ein einzelner Soldat einen Dienst, den er als Unterstützung des Irak-Kriegs begriff. Verweigert hat auch das oberste Disziplinargericht die Gefolgschaft gegenüber der offiziellen (auch: rot-grünen) Version deutscher Nicht-Beteiligung. Und wäre nichts dran an den Argumenten des Majors, dies sei ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg gewesen, hätte er nicht freigesprochen werden dürfen...

...Zum einen hat das Gericht den Grundrechtsschutz der Soldaten gestärkt. Ihr Recht also, sich eigene Gedanken über Hintergründe und Wirkungen einzelner Befehle zu machen - ganz im Sinne des Staatsbürgers in Uniform. Und notfalls Nein zu sagen.

FR 23.06.2005 (Meng): Brisante Bewertung

Für eilige Leser:

Pressmitteilung des BVerwG und Kommentar des Darmstädter Signal auf einer Seite bei

AGF: Major Pfaff hat Recht bekommen: Keine Befehlsverweigerung, sondern freie Gewissensentscheidung des Berufssoldate www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Bundeswehr/pfaff2.html

Das Darmstädter Signal ist eine im Bendler-Block denkbar ungeliebte Vereinigung kriegs-, jedoch nicht militär-kritischer Bundeswehrsoldaten:

jW 23.06.2005 (Wolters): Das ist ein Tritt vor Schröders Schienbein" Freispruch für Florian Pfaff könnte Signal für andere Militärs sein. Soldaten werden mit viel Geld zu Auslandseinsätzen gelockt. Ein Gespräch mit Helmuth Prieß

BTW eine interessante Passage hieraus:

Viele junge Offiziere gehen heute zur Bundeswehr, nicht um etwas für den Frieden zu tun, sondern weil sie bei Auslandseinsätzen viel Geld verdienen. Ein Leutnant im Afghanistan-Einsatz bekommt das doppelte Geld. Etwa 3000 Euro pro Monat Normalgehalt und für jeden Tag noch einmal 100 Euro. Nach einem halben Jahr hat dieser Mann mehr als 30000 Euro in der Tasche, weil es in Afghanistan kaum Gelegenheit gibt, Geld auszugeben. Ich kenne Soldaten, die sich vor ihrer Versetzung ins Ausland erst einmal einen nagelneuen BMW 316 i bestellt haben.

Quelle: Friedens-Treiber-Agentur (FTA)