Der Tanz um den bronzenen Löwen

Ein Darmstädter Kriegerdenkmal und die Kriegsschuldfrage

Zwischen Schloss und Landesmuseum erinnert ein sterbender Löwe an die tapferen Krieger des Darmstädter 115. Leibgarderegiments. Ein Leserbrief im Darmstädter Echo vom 16.08.2014 setzte sich für die Renovierung dieses Denkmals ein. Mehr noch: Die "Erinnerungskultur" soll wieder aufgefrischt werden, inklusive der ehrenden Erinnerung an die "Nachfolgeeinheiten" im deutschen Heer während des Zweiten Weltkriegs.

Der Darmstädter Historiker Fred Kautz bindet derlei Betrachtungen aus der Provinz in die Debatte um die deutsche Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg ein:

Um die Gemütsverfassung dieses deutschen Michels zu ergründen, ist es wünschenswert, den Denkfabriken der Großstädte den Rücken zu kehren, um sich in der Provinz umzuschauen. Was man dort zu lesen bekommt, ist aufschlussreich und nicht nur von lokalpolitischer oder regionaler Bedeutung. So z.B. ein verquaster Leserbrief in einer provinziellen Tageszeitung, in dem die Geschichte des Ersten und des Zweiten Weltkriegs wie Kraut und Rüben durcheinander gerät und alles sich in Unschuld auflöst.

Der vollständige Artikel von Fred Kautz untersucht ausführlich die Geschichte des Leibgarderegiments und des Denkmals. Er endet mit den Worten:

Das ist nicht zum Lachen. Hämisch gelacht habe ich ja auch nur über das Getue der Denkmalschützer, die sich beim Umgang mit einem Kriegerdenkmal so aufführen wie das halsstarrige Volk, das zu seinem Unglück um das goldene Kalb tanzte. Über die Kriegstoten des Ersten und Zweiten Weltkriegs lache ich nicht. Zu beweinen sind letztendlich auch die Soldaten der Infanterieregimenter 115, 226 und 485, die an der Ostfront und anderen Kriegsschauplätzen gefallen sind. Zu bedauern ist, dass sie in Kriegsverbrechen und in einen Völkermord verstrickt waren und dass sie für unehrenhafte Ziele ihr Leben aufs Spiel gesetzt und verloren haben. Ein Ritual des Bedauerns müsste für diese Kriegstoten ersonnen werden.