Allianz ohne Alternative

Aspekte des Verhältnisses von Linkspartei und DKP

Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP

Unternehmerverbände, CDU/CSU und FDP sowie mit ihr sympathisierende rechtskonservative Medien konstatieren einen »Linksruck« in der Bundesrepublik Deutschland. Als Beleg hierfür wird der letzte SPD-Parteitag gewertet, der u. a. beschloß, ins Programm den Terminus »Demokratischer Sozialismus« aufzunehmen. Die Kritik führender Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an der Rente mit 67 oder an der Höhe der Managergehälter ist jedoch wohl eher taktischer Natur und den stattfindenden sowie bevorstehenden Wahlkämpfen geschuldet, als daß ein politisches Umdenken oder gar Konsequenzen zu erwarten wären. Etwas anderes ist da schon der Umgang mit dem Thema Mindestlohn. Aus dieser Forderung wird offensichtlich in Vorbereitung der Bundestagswahlen 2009 eine länger währende Kampagne. Die SPD-Führung weiß, daß mindestens drei Viertel der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland den Mindestlohn unterstützen und daß zudem diese Forderung mit dem neoliberalen Kapitalismus durchaus verträglich ist, wie andere EU-Länder in der Praxis zeigen. Traut man einigen Meinungsumfragen, kann man daraus interessante Ansätze für linke Politik ableiten.

In der Zeit wurden Umfrageergebnisse veröffentlicht, nach denen 86 Prozent der Deutschen sich in der Mitte und links davon einordnen, als rechts wollen nur elf Prozent gelten. Auf die Frage »Halten Sie den Sozialismus für eine gute Idee, die schlecht ausgeführt worden ist?« antworteten 45 Prozent in Westdeutschland und 57 Prozent in Ostdeutschland mit »Ja«, im Westen 27 Prozent und im Osten 19 Prozent mit »Nein«. Das führte in der FAZ am 18. Juli 2007 zu einer Analyse, die Besorgnis erkennen läßt. Am 2. Januar 2008 konnte man in der FAZ lesen: »Wer verhindern will, daß auch noch das zweite Drittel der Gesellschaft die Grundlagen unseres politischen und wirtschaftlichen Systems in Frage stellt, tut deshalb gut daran, das Thema soziale Gerechtigkeit nicht als ›gefühltes‹, also eingebildetes Problem abzutun.« Offensichtlich führt die Tatsache, daß die Parteien der neoliberalen Großkoalition CDU/CSU/SPD/FDP/Die Grünen keine Antworten auf die dringenden Probleme der Bevölkerung haben, zu einer Legitimationskrise des Parlamentarismus - mit Ausnahme der Linkspartei.

Auch wenn es diese Meinungsbildungsprozesse in der Bevölkerung gibt, bleibt es dabei, daß die politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland weiter nach rechts geht. Die Forderungen entscheidender Teile des Großkapitals bestimmen im wesentlichen die politischen Entscheidungen. Innenminister Schäuble, der bereits 1996 in der FAZ forderte, »weniger Demokratie (zu) wagen«, sieht jetzt die Zeit gekommen, deutlich reaktionärere Formen der Machtausübung durchzusetzen. Ausdruck hierfür ist sein Kampf für Bundeswehreinsätze im Inneren und für eine weitere Einschränkung von Grundrechten. Die deutsche Innen- und »Sicherheitspolitik« bewegt sich im Gleichklang mit der gesamten EU. Vorratsdatenspeicherung, Flüchtlingsabwehr, der Ausbau der Geheimdienste und des Polizeiapparates, der Einsatz des Militärs im Inneren usw. - siehe den EU-Reformvertrag, in dem all dies »geregelt« wird - werden über die EU in allen Mitgliedsländern durchgesetzt.

Die Gegenwehr ist jedoch heftiger als in den vergangenen Jahren. Das zeigt auch die Zunahme der Streiktage und von Widerstandsaktionen gegen die Rechtsentwicklung. Allerdings gibt es nur Ansätze für die Formierung jener Gegenkräfte, die einen Politikwechsel durchsetzen könnten.

Abwehrkämpfe organisieren

Es bleibt bei der Aufgabe, Abwehrkämpfe zu organisieren, um den Angriffen aus Kapital und Kabinett solche Gegenwehr entgegenzusetzen, die weitere Rechtsentwicklung verhindert. Dies wird nur in gesellschaftlichen Allianzen, in breiten und stabilen Bündnissen, möglich sein. In diesen muß die organisierte Arbeiterbewegung Hauptträger des Widerstandes sein. Vor allem die Gewerkschaften sind gefordert, mit neuen Formen innergewerkschaftlicher Demokratie, Beteiligung usw. sowie anderen Kampfformen als bisher bis hin zum Generalstreik den Stopp der Rechtsentwicklung und einen Politikwechsel zu erzwingen. Dieses Ziel ist vor allem durch außerparlamentarischen Kampf erreichbar.

Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Die GDL-Streiks der letzten Monate zeigen, was erreichbar ist. Wenn die Bahngewerkschaften mit Unterstützung durch alle Einzelgewerkschaften und des DGB in Verbindung mit der globalisierungskritischen Bewegung und sozialen Bewegungen anderer Art die Bahnprivatisierung auch durch Streiks bekämpften, wäre sie verhinderbar. In diesem Zusammenhang muß aus unserer Sicht offensiver die Eigentumsfrage gestellt werden - die andere Seite, das Kapital, tut dies täglich!

Auf der Ebene politischer Parteien trägt Die Linke als stärkste Partei eine große Verantwortung für Formierungsprozesse der Zusammenarbeit der politischen Linken mit anderen linken Bewegungen. Ein Alleinvertretungsanspruch der Partei Die Linke, wie er hier und da in Veröffentlichungen formuliert wird, ist ebenso kontraproduktiv wie politisch falsch.

Die DKP hat die Herausbildung der Linkspartei begrüßt. Sie knüpft daran Erwartungen, daß von der Partei Die Linke stärkere Impulse zur Veränderung des Kräfteverhältnisses im Land, zur Stärkung der außerparlamentarischen Bewegungen kommen und daß bei Wahlkämpfen ein Zusammenführen linker Kräfte, soweit es politische Gemeinsamkeiten gibt, leichter möglich wird. Die DKP hat immer wieder dafür gewirkt, die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien in den Vordergrund zu stellen.

1990 entschuldigte sich Gregor Gysi bei der DKP wegen der von ihm festgestellten Gängelung der Partei durch die SED. Kurz darauf bot er der DKP den Status einer kommunistischen Plattform im Rahmen der damaligen SED/PDS an. Unseren Vorschlag, mit Bildung einer Föderation demokratischer Sozialisten und Kommunisten die solidarische Zusammenarbeit zu befördern, lehnte er ab. Wir waren davon überzeugt, daß es notwendig ist, die DKP als eigenständige Partei des wissenschaftlichen Sozialismus in diesem Land zu erhalten und weiter zu entwickeln.

Als es 2004 um die Frage ging: »Wie kann aus der PDS und der WASG eine neue Kraft entstehen?«, haben wir erneut den Vorschlag eingebracht, ein Kooperationsmodell zu entwickeln, in das alle linken Kräfte einbezogen werden sollten. Unter diesem Dach hätte dann gemeinsam diskutiert, es hätten Aktionen verabredet werden können und es hätte Festlegungen geben können, in welchen Formen, mit welchen Inhalten, mit welchen Zielen man zu Wahlen gemeinsam antreten kann. Dieses Modell setzt allerdings voraus, daß jede Kraft, die es wünscht, politisch und organisatorisch selbständig bleibt. PDS und WASG haben anders entschieden. Heute existiert Die Linke. Die DKP und andere Organisationen und Parteien der Linken sind selbständig geblieben.

Aus Sicht der DKP muß das Verhältnis zueinander mehr als bisher davon geprägt sein, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und ausgehend davon die Zusammenarbeit in der Praxis zu organisieren. Wie konstruktiv die DKP dies umsetzt, zeigt sich auch in der Wahlpolitik. Bei Bundes- und vielen Landtagswahlen unterstützt die DKP die Kandidatur der Linkspartei, profilierte Mitglieder bewerben sich um Listenplätze und kandidieren, wie jetzt zum Beispiel bei den Landtagswahlen in Hamburg und Niedersachsen, auf den Listen der Linkspartei. Diese Form der Wahlbeteiligung schließt auch die Formulierung eigener politischer Ziele zu den jeweiligen Wahlkämpfen ein.

Verbindendes Suchen

Bisher fanden zwar Gespräche zwischen verschiedenen Mitgliedern der Führungen der DKP und der PDS statt, die oft interessant waren. In der Regel blieben sie allerdings folgenlos. 2004 suchten wir eine Lösung, zu regelmäßigen Arbeitsgesprächen zu kommen. Lothar Bisky war dazu bereit. Mit Hans Modrow verabredete ich, daß jeweils sechs Genossinnen und Genossen der Vorstände sich über ein Wochenende treffen sollten, um politische Sichtweisen und Standpunkte auszutauschen und miteinander abzuwägen, wo Gemeinsamkeiten existieren, aber auch, um festzustellen, welche Unterschiede es gibt. Vor dem geplanten Zustandekommen dieses Wochenendtermins wurde das Treffen von seiten der PDS abgesagt. Die Begründung hierfür war, ein solches Treffen zwischen DKP und PDS sei in der Linkspartei.PDS nicht vermittelbar. Ähnlich erging es vielen Vorschlägen und Vorhaben, die von der DKP angeregt wurden.

Es stellt sich die Frage: Warum ist das eigentlich so, daß es keine klare Positionierung zur DKP, sei es von der SED/PDS, der späteren PDS, PDS-Linkspartei oder der Partei Die Linke, gab bzw. gibt? Das läßt einerseits vermuten, daß Führungsmitglieder der Linken darauf setzen, daß die DKP sich alsbald »erledigen« wird. Dabei wissen wir, daß es in der Mitgliedschaft der Linkspartei sehr unterschiedliche Haltungen zur DKP gibt.

Andererseits bin ich der Überzeugung, daß es die politische Option der Linkspartei ist, sich auf eine Zusammenarbeit mit der SPD, vor allem im parlamentarischen Rahmen, zu orientieren. So sagte Gregor Gysi am 20. Mai 2006 in einem Interview: »Meine Partei kommt um die Bereitschaft zu einer Regierungsbeteiligung nicht herum.« (Berliner Zeitung, 29.5.2006) Oskar Lafontaine verband die Antwort auf die Frage möglicher Regierungsbeteiligung immer mit dem Zusatz, daß die SPD sich von Hartz-IV-Politik, Bundeswehreinsatz in Afghanistan, Rente mit 67 verabschieden müsse. Er forderte also einen Richtungswechsel zumindest in einigen politischen Bereichen als Voraussetzung zu einer denkbaren Koalition.

Heute hat Die Linke ein politisches Glaubwürdigkeitsproblem. Einerseits gibt es Reden und Aktionen wie politisch-inhaltliche Forderungen, die durchaus im Interesse des übergroßen Teils der Bevölkerung sind. Andererseits wird dort, wo sie wie in Berlin an der Macht beteiligt ist, eine Politik des Sozial- und Demokratieabbaus mitgetragen. Oder es wird wie in Dresden im Stadtparlament der Verscherbelung von 48000 Wohnungen an Heuschrecken zugestimmt. Das ist eine Politik, wie sie so auch von CDU, FDP, SPD und oftmals den Grünen betrieben wird.

Unvergessen bleibt in der marxistischen Linken, daß es Berlin war, das als erstes Bundesland aus dem kommunalen Arbeitgeberverband austrat, daß dort die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zum größten Lohn- und Gehaltsverzicht gezwungen wurden. Berlin gilt in der Durchsetzung der Hartz-IV-Politik, zumindest in bürgerlichen Medien wird das so formuliert, als »vorbildlich«. Auch die sicher vorhandenen positiven Beispiele, die Durchsetzung mancher sozialer Forderungen können die Tatsache nicht tilgen, daß dort, wo die Linke bislang Verantwortung im Land trägt, ähnlich wie in anderen Bundesländern neoliberale Politik umgesetzt wird.

Zumindest bei den linken Kräften in der alten Bundesrepublik Deutschland ist die Entwicklung der Partei Die Grünen noch gut im Gedächtnis. Daher wird auch die Entwicklung der Linkspartei kritisch gesehen. Eine offene konstruktive Debatte unter Linken, gerade auch mit Beteiligung der marxistischen Linken und damit auch der DKP, wäre hilfreich und nützlich, um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Offene Foren zur Diskussion würden allen Beteiligten Erkenntnisgewinn bringen. Selbstkritisch müssen wir feststellen, daß die Beteiligung der DKP an den Zukunftsdebatten in der linken Bewegung noch unzureichend ist.

Eine Zukunftsdebatte findet seit längerem in der Gesellschaft statt. Bestimmt wird sie vor allem von den konservativen und rechten politischen Kräften. Da ist in der FAZ die Rede von der notwendigen Neugründung der Bundesrepublik Deutschland. Der Historiker Arnulf Baring spricht vor der CDU-Fraktion in Hessen über die Notwendigkeit von Ermächtigungsgesetzen statt parlamentarischer Mehrheitsentscheidungen. In Heiligendamm wird unter Beteiligung der Bundeswehr der Bürgerkrieg geübt.

Der Kapitalismus fordert seinen Preis. In der Zeitschrift Capital heißt es dazu: »Bei Lichte besehen stellen die Hartz-IV-Empfänger die größte Gruppe der Kapitalisten in Deutschland. Das zeigt ein Blick auf eine Familie mit zwei Kindern, die von Arbeitslosengeld II lebt und damit pro Jahr durchschnittlich 21 600 Euro bezieht. Wer dieses Einkommen (vor Steuern) auf dem Finanzmarkt erzielen möchte, braucht mindestens 540 000 Euro Kapital, wenn man eine realistische Rendite von vier Prozent zugrunde legt. Derzeit gibt es etwa zwei Millionen solcher Bedarfsgemeinschaften, die hochgerechnet zusammen die unvorstellbare Summe von 1 080 Milliarden Euro binden. (...) Die häßliche ökonomische Wahrheit ist: Jeder Hartz-IV-Empfänger konsumiert das Geld, das eigentlich für den Aufbau neuer Arbeitsplätze notwendig wäre. Wer wirkliches Wachstum und neue Jobs für Deutschland will, muß das Kapital dorthin bringen, wo es arbeitet. Nichts bremst unsere Konjunktur so sehr wie Hartz IV.«

Vor allem diese reaktionären Einstellungen werden zunehmend von Teilen der Arbeiterklasse erkannt. Es entsteht eine neue Wut über solche offen menschenverachtenden Ansichten und Handlungen. Widersprüche nehmen zu, sie werden offensichtlicher. Dies wird mittel- und langfristig zu gesellschaftlichen Konflikten führen. Dabei wird es dann auch nicht nur um die Frage gehen, wie man gegenwärtige Gesellschaftsentwicklungen stoppen kann, sondern mehr und mehr muß auch die Frage gestellt werden: Was sind Alternativen? Und: Welche Perspektiven vertritt die Linke?

Reform oder Revolution?

Linke Politik, Parteien und gesellschaftliche Organisationen und Institutionen sollten ihre Aufgabe darin sehen, in die gesellschaftlichen Bewegungen auch Zukunftsvorstellungen, ihre gesellschaftlichen Perspektivüberlegungen mit einzubringen. Nach meiner Überzeugung hängt davon die Fähigkeit ab, die Hegemonie in der Gesellschaft zu erringen. Schafft die Linke das nicht, wächst die Gefahr eines weiteren Abgleitens in barbarische Verhältnisse.

Oskar Lafontaine hat in Disput im August 2007 einen interessanten Beitrag unter der Überschrift »Freiheit durch Sozialismus« veröffentlicht. Dort schreibt er: »Den Gegenentwurf zum kapitalistischen Wirtschaftssystem nennt Die Linke Demokratischer Sozialismus. Sie versteht darunter mehr als eine Wirtschaftsordnung. Demokratischer Sozialismus setzt aber eine Wirtschaftsordnung voraus, die den Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, den Frieden bewahrt und die Umwelt schützt.« Er fordert: »Die Kontrolle jeder Art von Macht, also auch der wirtschaftlichen Macht, ist ein Kernanliegen der Linken.« Dies ist aus seiner Sicht über einen starken Staat zu erreichen. Begriffe wie »Verstaatlichung«, »Vergesellschaftung« müßten mit neuen Inhalten gefüllt werden. Es gehe um das Recht auf Mitentscheidung der Beschäftigten.

Aus meiner Sicht beschreibt dieser Artikel interessante Überlegungen für einen regulierten Kapitalismus, aber auch neue Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten durch einen »stärkeren Staat«. Es werden eher antimonopolistische Forderungen entwickelt. Es sind allerdings keine Vorstellungen zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, wie wir sie sehen.

Die DKP sagt unter anderem in ihrem neuen Programm: »Nur der revolutionäre Bruch mit den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen beseitigt letztlich die Ursachen von Ausbeutung und Entfremdung, Krieg, Verelendung und Zerstörung unserer natürlichen Umwelt. Die Durchsetzung der elementaren Menschenrechte für alle Bewohner dieser Erde ist nur in einer Gesellschaft zu verwirklichen, die auf dem Gemeineigentum an Produktionsmitteln beruht und in der Demokratie mit der politischen Macht des arbeitenden Volkes verwirklicht wird. Diese Gesellschaft ist der Sozialismus als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation.« (Programm der DKP, Seite 3, 5. Abschnitt)

Allein das zeigt, wie spannend eine Diskussion sein könnte, wie notwendig sie ist, warum neben der Partei Die Linke die DKP als marxistische Partei der Arbeiterklasse in der Bundesrepublik Deutschland unabdingbar ist. Sicher, der Sozialismus steht nicht auf der Tagesordnung, aber sowohl in heutigen Abwehrkämpfen als auch in Vorstellungen zu Alternativen, zum Beispiel die Durchsetzung antimonopolistischer Reformen, benötigt die Linke in ihrer Vielfalt Zukunftsvorstellungen. Ich teile die Auffassungen von Joachim Bischoff und Hans Modrow, die in ihrem Artikel »Zukunft: Mitte-Links-Bündnis?« (Sozialismus, 30.11.2007) schrieben: »Die gegenwärtigen Korrekturforderungen - Mindestlohn, armutsfeste Altersrenten, Abschaffung des jetzigen Systems der Sozialunterstützung (Hartz IV) und Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen in eine umfassende politische Strategie zu einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung eingebunden werden.«

Die marxistische Linke repräsentiert weit mehr als die Mitglieder der DKP, auch das sollte bedacht werden. Ich bin davon überzeugt, daß die Mehrheit der Linkspartei-Mitglieder in Ostdeutschland sich der marxistischen Linken zugehörig fühlt. Die antikapitalistische Linke ist, wie während der Aktionen in Heiligendamm gut erkennbar, vielfältig politisch organisiert oder gar nicht gebunden. Kommunistinnen und Kommunisten sind ebenfalls unterschiedlich oder gar nicht organisiert. Diese marxistische Strömung ist und bleibt ein wesentlicher Faktor in der linken Bewegung.

Selbstverständlich ist es das Ziel der DKP, zur Durchsetzung politischer Ziele möglichst viele Kommunistinnen und Kommunisten in der DKP zu organisieren. Die DKP verfolgt das Ziel, sozialistische Gesellschaftsverhältnisse durchzusetzen. Ihre Mitglieder haben dafür in der Vergangenheit staatliche Repressionen in Form von Verurteilungen während der Zeit des KPD-Verbots oder von Berufsverboten in der Zeit der DKP hinnehmen müssen. Auch heute ist die Mitgliedschaft gerade für junge Menschen mit Repressionen, öffentlichen Verunglimpfungen und Denunziationen verbunden. Es ist keine einfache Entscheidung, Mitglied der DKP zu sein oder die UZ, die Zeitung der DKP, zu abonnieren. Es bleibt schwierig, bei Informationsständen und öffentlichen Veranstaltungen als Kommunistinnen und Kommunisten aufzutreten.

Dennoch, es gibt aus meiner Sicht keine Alternative, keinen »leichteren Weg«. Im neuen Programm der DKP, beschlossen im April 2007, haben wir uns politisch und strategisch festgelegt. Dafür erfahren wir Zuspruch, zum Beispiel bei UZ-Pressefesten, bei Aktionen, bei Diskussionen, bei Streiks und anderen Kämpfen.

Die frühere SED-Mitgliedschaft ist, soweit sie weiter organisiert in einer Partei kämpfen wollte, mehrheitlich einen anderen Weg gegangen. Unsere Hoffnung und Wünsche, daß es nach dem Zusammenbruch und der Zerschlagung des Sozialismus zu einer stärkeren kommunistischen Partei kommen möge, die aus der Vergangenheit kritisch und selbstkritisch lernt, hat sich nicht umsetzen lassen. Jetzt geht es darum, Realitäten zu akzeptieren. Es gilt, das Miteinander produktiv zu gestalten, in Verantwortung vor der gesellschaftlichen Perspektive der in diesem Land lebenden Menschen und der Bundesrepublik Deutschland in der globalisierten Welt. Diese Verantwortung verlangt von den Mitgliedern der DKP ein Zugehen auf Gliederungen und Mitglieder der Linkspartei, die gemeinsame Anstrengung zur Herausbildung und Organisierung von Aktionseinheit und Bündnissen mit der Perspektive einer gesellschaftlichen Allianz zur Durchsetzung einer anderen Politik.

Konstruktivität ist bei der Entscheidung zu wahlpolitischem Verhalten gefordert. Es verlangt aber auch von uns, die Entwicklung der DKP zu einer kreativ-konstruktiv wahrgenommenen politischen Kraft in der Linken zu organisieren. Es gibt keine Alternative zur konstruktiven Zusammenarbeit. Das schließt vordergründige Konfrontation, gegenseitige Schuldzuweisungen und Unterstellungen aus. Aber es verlangt eine offene und ehrliche Debatte, eine Darlegung der tatsächlichen Positionen der jeweilig daran beteiligten Personen und Organisationen. Die Linkspartei ist bekanntlich Mitglied, die DKP beobachtende Partei in der Europäischen Linkspartei. 2009 werden Wahlen zum EU-Parlament stattfinden. Zunächst muß das Maß an politischer Übereinstimmung auf der Grundlage der beschlossenen Politik der Europäischen Linkspartei diskutiert werden. Aus meiner Sicht könnten Mitglieder der DKP auf der Liste kandidieren und dabei auch auf einem Platz, der beim Erreichen von fünf Prozent zu einem Mandat führt. Die DKP wird nach dem Parteitag vom 23. bis 24. Februar 2008 auch über dieses Problem mit dem Vorstand der Linkspartei diskutieren.

Heinz Stehr ist Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

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