Noch einmal über "samtene Revolutionen"

Ein Geldkurier packt aus

In der UZ vom 3. 12. wurden Auszüge aus einem im britischen "Guardian" erschienenen Beitrag wiedergegeben, der das Szenario der "samtenen Revolutionen" enthüllt. Am 7. 12. hat der "Guardian" einen weiteren Artikel zu diesem Thema publiziert. Diesmal schreibt ein Autor, der selbst daran beteiligt war, finanzielle Brandbeschleuniger für die Entfachung von "Volksrevolutionen" an deren Aktivisten zu liefern.

Mark Almond, der Vorlesungen in Neuerer Geschichte am Oriel College in Oxford hält, bezeichnet sich selbst als "Kurier des 'kalten Krieges', der Zehntausende Dollars an Dissidenten des Sowjetblocks überbrachte". In diese Untergrundarbeit - so schreibt er - habe ihn Unzufriedenheit über die Beschränkungen des Lebens für die einfachen Menschen in den sozialistischen Ländern geführt. Heute sei er infolge der massiven Verarmung der Völker dieser Länder und des zynischen Opportunismus der Dissidenten enttäuscht.

Dabei - so stellt er fest - hätte er eigentlich die Symptome der Korruption schon früher erkennen müssen. Obwohl in den 80er Jahren z. B. die Prager Dissidenten in den westlichen Medien als selbstlose Wissenschaftler dargestellt wurden, die für ihre Prinzipien in die Armut getrieben worden seien, hätten diese in Wirklichkeit monatliche Stipendien von 600 US-Dollar erhalten. Als ein weiteres Beispiel für die Korruption von Dissidenten nennt er den ehemaligen polnischen Solidarnosc-Führer Adam Michnik, dessen heutiges Medienimperium im Wert von 400 Millionen Euro aus dem seinerzeit von der CIA finanzierten illegalen Solidarnosc-Verlag hervorgegangen ist. Auf der anderen Seite stehen die Arbeiter der Gdansker Werft, der Wiege der Solidarnosc, und die serbischen Bergarbeiter, die 2000 ihr "serbisches Gdansk" verkündeten, ebenso wie Millionen weiterer Arbeiter heute auf der Straße und haben viel Zeit, "über ihre Rolle in der Geschichte nachzudenken".

Weiter schreib Almond: "Heute können wir bei Google die Bezeichnungen solcher Fonds finden wie den amerikanischen ´Nationalen Fonds für Demokratie´ (NED) und noch eine Menge von Surrogaten, die die ukrainische Bewegung ´Pora´ oder ukrainische ´unabhängige´ Massenmedien finanzieren. Aber sagt Ihnen das etwas, wenn sie nicht wissen, dass James Woolsey vom Fonds NED vor 10 Jahren ein Chef der CIA in den USA war?

Im Verlauf der 80er Jahre und in der Periode der Vorbereitung der samtenen Revolutionen des Jahres 1989 arbeitete eine nicht sehr große Armee von Freiwilligen - und, lassen Sie uns offen sein, von Spionen - gemeinsam daran, das vorzubereiten, was in der Folge die Macht des Volkes genannt wurde.

Stürmisch entfaltete sich ein Netz miteinander verbundener Fonds und Wohltätigkeitsorganisationen, die die Zustellung vieler Millionen Dollar an die Dissidenten übernahmen. Den überwältigenden Teil dieser Gelder stellten die Länder der NATO und ihre geheimen Verbündeten von der Art Schwedens zur Verfügung. Es ist wahr, dass nicht jeder Penny, der an die Dissidenten gelangte, aus der Staatskasse kam. Der amerikanische Milliardär George Soros organisierte den Fonds 'Offene Gesellschaft'. Wieviel Geld dieser Fonds zur Verfügung gestellt hat, ist schwer zu sagen, da Herr Soros Offenheit für andere predigt, aber nicht für sich selbst."

Ging es in den 80er Jahren darum, den Sozialismus durch die Konterrevolution zu stürzen, so hat sich heute die Aufgabenstellung verändert. Almond schreibt: "Die einzige Supermacht in der Welt setzt ihr altes Arsenal des 'kalten Krieges' nicht gegen totalitäre Regime ein, sondern gegen Regierungen, derer Washington überdrüssig ist. Solche den USA überdrüssige Verbündete wie Schewardnadse taten alles, was die Vereinigten Staaten wollten. Aber sie vergaßen die kluge Aussage des sowjetischen Satirikers Ilf: 'Es ist unwichtig, ob Sie die Partei lieben. Wichtig ist, ob die Partei Sie liebt.'"

Um Missverständnisse zu vermeiden: Mit diesen Aussagen soll nicht der Eindruck erweckt werden, alle "Dissidenten" in den sozialistischen Ländern seien "bezahlte Agenten des Imperialismus" gewesen oder alle heutigen Kritiker des Regimes in der Ukraine seien dies. Es soll auch nicht unter den Tisch gekehrt werden, dass von außen gesteuerte Kräfte nur dann größeren Einfluss gewinnen können, wenn es massenweise berechtigte Kritik an den bestehenden Verhältnissen gibt. Worum es uns geht, ist, die von den imperialistischen Metropolen bei den "samtenen Revolutionen" verfolgte Strategie ein wenig aus dem Dunkel ans Licht zu bringen.

Willi Gerns