ver.di-Bundeskongress

Weichen stellen für kommende Kämpfe

Vom 22. bis 28. September 2019 fand der 5. Ordentliche Bundeskongress der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft in Leipzig statt. Neben den 1.000 Delegierten haben rund 500 weitere TeilnehmerInnen als Gäste teilgenommen. Rund 1.200 Anträge standen zu Diskussion und Beschlussfassung an.

Personalwechsel

Verabschiedet wurde Frank Bsirske als Vorsitzender. Er übte diese Funktion seit der Gründung von ver.di im Jahr 2001 aus. Zwar Mitglied der Grünen, hat er dennoch als Linker immer wieder das herrschende Gesellschaftssystem nicht nur als Kapitalismus bezeichnet, sondern daraus auch Schlussfolgerungen für die Politik von ver.di gezogen. Bsirske hat die Organisation stark geprägt, aber auch auf sich zugeschnitten. Die Kehrseite davon war, dass in dieser Zeit die Arbeit der ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen oft hinter der Arbeit der hauptamtlichen Beschäftigten zurückstand.

Mit großer Mehrheit wurde das SPD-Mitglied Frank Wernicke als neuer Vorsitzender gewählt. Am inhaltlichen Kurs von ver.di will er mit großer Integrität und Sachlichkeit festhalten.

Der Bundesvorstand wurde von vierzehn auf neun Mitglieder verkleinert, fast alle Gewählten konnten Stimmenanteile von 80 bis 96 Prozent auf sich vereinigen. Damit genießt der Bundesvorstand ein hohes Vertrauen.

Anträge

Zu den 1150 Anträgen lagen bereits zu Beginn der Antragsdebatte 172 Wortmeldungen, 66 Änderungsanträge sowie sieben Initiativanträge vor.

Hier einige wichtige Themen:

Der Kongress hat beschlossen, dass langfristig die Leiharbeit durch Gesetzesänderung abgeschafft werden muss.

Diskutiert wurde, ob das Ziel einer 30-Stunden-Woche in den Leitantrag aufgenommen werden sollte. Zwar konnte der Kongress davon nicht überzeugt werden, hat aber beschlossen, dass die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich breit in ver.di diskutiert werden soll.

Mit großer Einmütigkeit wurde die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro begrüßt.

Das Thema Digitalisierung wurde um das Themenfeld Künstliche Intelligenz (KI) erweitert. Kernforderung ist, dass KI ethischen, demokratischen und sozialen Standards entsprechen muss. Autonome Waffensysteme müssen verboten werden - was die Forschung und Entwicklung betrifft und erst recht deren Einsatz.

Über den Kapitalismus wurde zwar diskutiert, aber Widersprüchliches beschlossen. Einerseits wird festgestellt, dass "Privateigentum und Markt (...) schöpferische Kräfte wirken lassen". Andererseits: "dort, wo Wettbewerb und Privateigentum ihren Wohlfahrtszweck nicht oder nur mangelhaft erfüllen, müssen sie durch andere Eigentumsformen - öffentliches und genossenschaftliches Eigentum - und Verfahren ersetzt werden."

Die Delegierten sprachen sich gegen weitere Privatisierungen aus. Die "Rekommunalisierung bereits privatisierter Dienstleistungen" soll vorangetrieben werden.

Das Rentenniveau soll perspektivisch auf mindestens 53 Prozent festgelegt werden. Darüber hinaus fordert ver.di die abschlagsfreie Rente mit 63.

Zum Umgang mit Rechtspopulisten in der eigenen Organisation hat der Kongress erfreulicherweise definiert, wann er im Rahmen der satzungsrechtlichen Möglichkeiten Ausschlüsse tätigt: bei Personen, die sich in Wort, Schrift und/oder Tat rassistisch, menschenverachtend oder gewerkschaftsfeindlich äußern oder sich auf diese Weise in Parteien oder anderen Organisationen aktiv engagieren.

ver.di spricht sich gegen weitere Erhöhungen des Verteidigungshaushaltes aus. So soll das 2-Prozent-Ziel der NATO nicht umgesetzt werden.

Unterstützt wird die weltweite ICAN-Initiative zur Ächtung und zum Verbot aller Atomwaffen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Verbot zu unterzeichnen und den Abzug der US-Atomwaffen zu veranlassen.

Die Stärke einer Gewerkschaft zeigt sich daran, ob es gelingt, ihre Mitglieder betrieblich sowie überbetrieblich einzubinden. Es bedarf einer Stärkung der ehrenamtlichen Strukturen, gerade der Vertrauensleutearbeit. Nur so können Beschlüsse auch umgesetzt werden.