Arbeitshetze bei der Telekom

Atemlos durch Tag und Nacht

Das Thema "Home-Office" steht schon länger bei der Telekom (und auch bei einigen anderen Unternehmen) als Option für eine Kosteneinsparung auf der Tagesordnung. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat es nun eine neue Dimension erhalten. Es wurde für viele Kolleginnen und Kollegen gelebter Alltag. Nicht wenige von ihnen sind begeistert. Das Arbeiten von zu Hause spart ihnen Zeit und Geld (Benzin, lange Anfahrtswege). Daran lässt sich ablesen, welch hohe Belastungen alle "Standortkonzepte" der Telekom-Verantwortlichen waren und sind. Home-Office ein Allheilmittel? Bei weitem nicht! Probleme wie Ausstattung, Kosten und Arbeitsbedingungen sind nicht gelöst. Der Wegfall sozialer Kontakte wird in der momentanen Euphorie ausgeblendet, dürfte aber mit zunehmender Zeit zum Problem werden. Gewerkschaft und Betriebsräte müssen damit befassen.

"Home-Office", das klingt modern. Dabei ist die Idee uralt. Schon vor Jahrhunderten stellten Fabrikanten ihren Mitarbeitern Baumwolle und Spinnräder in die Wohnungen und ließen sie dort schuften. So sparte sich der Unternehmer die Fabrik. Die Beschäftigten konnten sich in den Pausen um Haus und Hof kümmern. Im historischen Urteil hat sich eingebürgert, die Angelegenheit als systematische Ausbeutung der Arbeiter anzusehen." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. März 2017)

Zeitdruck und Arbeitsverdichtung prägen den Arbeitsalltag für immer mehr Kolleginnen und Kollegen. 53 Prozent der insgesamt 6.500 befragten Lohnabhängigen einer DGB-Studie gaben an, dass sie sich sehr häufig oder oft bei der Arbeit gehetzt fühlen.

Das Versprechen, dass in Folge von technischem Fortschritt und Digitalisierung Überlastungen am Arbeitsplatz geringer würden, hat sich zumindest in unserem Wirtschaftssystem als Luftnummer herausgestellt. Stattdessen sind für viele Kolleginnen und Kollegen zusätzliche Anforderungen durch Multitasking und steigende Komplexität der Aufgaben hinzugekommen.

Ein weiteres Symptom von Arbeitsüberlastung beschreiben die Autoren im Rahmen ihrer Studie: 28 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass sie sehr häufig oder oft Erholungspausen verkürzten oder ganz ausfallen lassen. Und dies, obwohl das Arbeitszeitgesetz nach einer bestimmten Zeitdauer Ruhepausen vorschreibt. Daher ist es kein Wunder, dass sich inzwischen jeder dritte Lohnabhängige nach der Arbeit leer und ausgebrannt fühlt. Häufig ist dies jedoch mehr als nur ein Gefühl.

Ausweitung des Arbeitstages bei der DTS GmbH

Im Service der Telekom kommen weitere Stressfaktoren dazu: Verkaufsdruck an den Hotlines, Verlängerung des Arbeitstages in die Abend- und Nachtstunden, Arbeiten an Wochenenden und auch am Sonntag. Bei der DTS GmbH wurde das schon jetzt für die Beschäftigten miese Arbeitszeitmodell nochmal verschlechtert. Unter der Überschrift "Flexibilität für Stabilität" wurden Gleitzeitregelungen und Schichtlängen verschlechtert. Wie es so schön im Arbeitgebersprech heißt: "� damit Engpässe in den Abendstunden und am Wochenende vermieden werden können."

Hintergrund seien Mengenrückgänge. Mit dem Gesamtbetriebsrat wurde ein "Insourcing-Strategie" vereinbart. Externe Vergabe soll zurückgefahren, die Arbeit in den Konzern zurückgeholt werden. Arbeiten, die von den "Outsourcing-Partner" vorwiegend abends und an Wochenenden geleistet wurden. Der Gesamtbetriebsrat will so die Arbeitsplätze sichern. Ende des laufenden Jahres endet der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen. Das Spiel mit drohenden Kündigungen scheint gewirkt zu haben. Wieder einmal wird Flexibilität eingefordert - wie immer einseitig durch die Beschäftigten zu erbringen. Und ob dies die Arbeitsplätze langfristig sichert, darf bezweifelt werden.

DT IT

Glaubt man den internen Telekom-Medien war die Umsetzung des letzten Releasecontainers eine Erfolgsgeschichte. Lachende Kolleginnen und Kollegen freuen sich dem "Kunden den Samstag zurückzugeben". Vergessen die unsäglichen Personalabbauprogramme der vergangenen Jahre. Früher wurde während des Tages gearbeitet. Jetzt verlagert man die Arbeiten in die Nachtstunden.

Nicht alle sehen das so positiv wie die Telekom-Medienmacher. Viele Kolleginnen und Kollegen werden zwar von ihren Führungskräften darauf hingewiesen, dass die Höchstarbeitszeit 10 Stunden beträgt und 11 Stunden Ruhezeit eingehalten werden müssen. Aber: Die Einführung des Releasecontainers darf nicht gefährdet werden. Wie das mit dem vorhandenen Personal funktionieren soll, wird verschwiegen. Nach dem Personalabbau der letzten Jahre fehlen viele Kolleginnen und Kollegen. Gerade auch solche, die sich mit den betroffenen Systemen gut auskennen. Die Konsequenz daraus ist einfach: Die Schichten können nur abgedeckt werden durch sehr großzügige Auslegung der Regelungen für Nacht- und Wochenendarbeit.

New Work

In einem Positionspapier des BDA unter der Überschrift "New Work - Zeit für eine neue Arbeitszeit" wird gegen die Aufzeichnungspflicht und das entsprechende EuGH-Urteil geschossen. Im Arbeitszeitgesetz will man von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umstellen. Der Acht-Stunden-Tag soll abgeschafft, die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause zwischen zwei Arbeitseinsätzen von elf auf neun Stunden reduziert werden. Das würde bedeuten, dass die Beschäftigten an einzelnen Tagen deutlich länger als bisher arbeiten "dürften". Die Unternehmer nennen das "Flexibilisierung". Für den Einzelnen jedoch heißt das: noch mehr Arbeitsdruck.

Die Corona-Pandemie wird nun genutzt um diese Angriffe auf das Arbeitszeitgesetz zu forcieren. Und die Telekom-Betriebe scheinen das schon mal in die Praxis umsetzen zu wollen.

Arbeitsmengen und Tempo

Die Autoren der oben erwähnten DGB-Studie kommen zu dem Schluss, dass es für den Schutz vor arbeitsbedingter Überlastung ein relativ simples Kriterium gibt. Die Arbeitsmenge muss in der zur Verfügung stehenden Zeit zu bewältigen sein unter Bedingungen, die die Beschäftigten nicht krank machen. Dies setzt aber (Mit-)Bestimmung der arbeitenden Menschen auf die Arbeitsmenge und das Tempo voraus. Die Realität ist für viele Beschäftigte eine andere. So können zwei Drittel ihre Arbeitsmenge gar nicht oder nur in geringem Maß beeinflussen. Selbst dort, wo sich gewerkschaftliche Gegenmacht manifestiert, entscheiden unter kapitalistischen Bedingungen, wenn auch im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes etwas eingeschränkt, wenige darüber, was und wie produziert wird und damit auch über das Leben und die Gesundheit von vielen.

Über Alternativen zum Kapitalismus zu diskutieren lohnt sich also auch im "Kleinen".