FR druckt Anzeige der Friedensbewegung nicht ab

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

die skandalöse Nachricht zuerst: Die Frankfurter Rundschau wird unsere Anzeige, die von über 300 Organisationen/Friedensinitiativen und Einzelpersonen unterschrieben wurde, nicht abdrucken. Das Druck- und Verlagshaus Frankfurt a.M. GmbH teilte hierzu lediglich mit:

"Aus verlegerischer Sicht möchten wir von einer Veröffentlichung in der Frankfurter Rundschau absehen."

Interventionen unsererseits blieben erfolglos. Die Entscheidung der Verleger ist endgültig. Zur gleichen Zeit erschien in der FR eine Extra-Seite zum Bush Besuch mit dem Aufmacher "Welcome, Mr. President". (FR, 18.05.2002)

Ich möchte das alles hier nicht weiter kommentieren. Eine Presseerklärung zu dem Vorgang finden Sie/findet ihr in der Anlage. Damit ist der in meinen Augen skandalöse Vorgang aber keineswegs vom Tisch. Wir werden selbstverständlich beim Presserat eine Beschwerde einreichen. Und es ist zu erwarten, dass so mancher Leserbrief an die FR geschickt wird, in dem die genauso unverständliche wie überraschende Entscheidung des Verlags kritisiert wird. (Die FR fordert täglich zu Leserbriefen auf unter der e-mail-Adresse: mailto:leserbrief@fr-aktuell.de)

Bisher sind rund 8.000 EUR für die Anzeige eingegangen. Dafür allen Spendern jetzt schon ein großes Dankeschön! Wir haben uns auf die Schnelle zu folgender Ersatzlösung entschlossen und hoffen auf euer/Ihr Einverständnis: Am 22. Mai erscheint in der Tageszeitung taz eine ganzseitige Anzeige mit den Namen aller Unterzeichner/innen. Am selben Tag sollen im "Neuen Deutschland" und in der "jungen welt" Anzeigen geschaltet werden (nur mit dem Text). Mehr ist finanziell nicht machbar.

Sollte Geld übrig bleiben (manche Überweisungen sind noch nicht eingegangen), so werden wir es zur Finanzierung der bundesweiten Bush-Demo am 21. Mai in Berlin bereitstellen.

Damit bin ich beim zweiten Punkt. Die Finanzierung der Bush-Demo in Berlin ist noch nicht gesichert. Wer mit solchen Veranstaltungen nicht vertraut ist, für den sei nur ein Hinweis gegeben: Allein die Bühne für die Kundgebung inklusive Technik für Beschallung usw. kostet über 15.000 EUR. Von den über 220 Organisationen, die zur Unterstützung der Bush-Demo aufgerufen haben, haben längst noch nicht alle ihren Beitrag (50 EUR aufwärts) entrichtet.

Zum Schluss noch eine Bitte: Bisher haben wir Meldungen über die Aktionen "Bush-Trommeln für den Frieden" aus etwa 40 Städten erhalten (auch bei der Friedenskooperative gingen nicht mehr Meldungen ein). (Hier ist die Liste anzusehen: http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/bewegung/Bush-Besuch/aktionen.html) Ich habe aber den Eindruck, dass im ganzen Land viel mehr passiert. Es ist sehr wichtig, davon zu erfahren, möglichst bis zum Mittwoch! Denn die Journalisten wollen immer Zahlen wissen. Also meldet euch bitte, wenn in eurer Stadt noch etwas stattfindet! (mailto:strutype@uni-kassel.de)

Mit den besten Grüßen euer/Ihr Peter Strutynski

Anlage:

Pressemitteilung Kassel, den 17. Mai 2002

Maulkorb für die Friedensbewegung! "Eine Zensur findet nicht statt." Art. 5 Abs. 2 Grundgesetz

Wenn es um die Solidarität mit dem US-Präsidenten Bush geht, hört die Gemütlichkeit im bayerischen Innenministerium und in manchen Medien auf. Diesen Eindruck hat nach Aussage des Sprechers des Bundesausschusses Friedensratschlag, Dr. Peter Strutynski, die Friedensbewegung in diesen Tagen. Zwei Vorfälle geben Anlass zur Besorgnis. 1) In Bayern geriet die beamtete Lehrerin und Friedensaktivistin Sophia Deeg ins Visier des Verfassungsschutzes und wird wegen ihres Engagements vor die Bezirksregierung Oberbayern zitiert. Der Grund: Sie hatte sich als Friedensvermittlerin über Ostern mehrere Tage im Hauptquartier von Yassir Arafat in Ramallah aufgehalten. In einem Brif der Regierung heißt es u.a.: "Insbesondere in sicherheitspolitisch angespannten Zeiten ... bringt es bereits die Tätigkeit in organisierten Friedensbewegungen mit sich, nähere Auskünfte hierüber einzuholen." (zit. nach Frankfurter Rundschau, 16.05.2002) 2) Doch die Meinungsfreiheit hat scheinbar auch in dieser Zeitung enge Grenzen. Der Frankfurter Rundschau wurde gestern (16.05.2002) von ihren Verlegern untersagt, eine bezahlte Anzeige abzudrucken, die von rund 400 Einzelpersonen und Friedensorganisationen unterschrieben wurde. Es handelt sich um einen Aufruf der Friedensbewegung zu den Aktivitäten anlässlich des Bush-Besuchs in Deutschland. Motto: "Wir wollen ihre Kriege nicht, Herr Präsident! ... Wir wollen überhaupt keinen Krieg."

Für die Friedensbewegung stellt dieses Verbot einen einmaligen Skandal dar. Da es für parteiunabhängige Bürgerbewegungen generell schwer ist, sich in den großen Medien Gehör zu verschaffen, setzen sie von Zeit zu Zeit darauf, ihr Anliegen über das Mittel bezahlter Anzeigen bekannt zu machen. Nun wird ihnen selbst diese Möglichkeit genommen. Was bleibt da noch von der garantierten Pressefreiheit, wenn Verleger ihre Macht so ungeniert einsetzen?

Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Kultur dieses Landes, wenn Stimmen und Bewegungen, die sich mit der gegenwärtigen Rolle der USA in der Weltpolitik kritisch auseinandersetzen, eingeschüchtert oder mundtot gemacht werden sollen. Offenbar soll der Staatsbesuch des Präsidenten des mächtigsten Staates der Welt hier zu Lande reibungslos und ohne Trübung der guten Stimmung über die Bühne gehen. Allmählich dämmert uns, dass der "uneingeschränkten Solidarität" die eingeschränkte Demokratie auf dem Fuße folgt.

Dr. Peter Strutynski (Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag und einer der Sprecher des bundesweiten Koordinierungskreises "Achse des Friedens")