Ein Faschist, der nichts ist, als ein Faschist, ist ein Faschist.
Aber ein Antifaschist, der nichts ist, als ein Antifaschist, ist kein Antifaschist.

Erich Fried

Für den 22. August lud die AfD anlässlich der bevorstehenden Landtagswahlen zu einer Veranstaltung in den Saal der Orangerie. Angekündigt war u.a. Alexander Gauland, für Darmstadt die erste AfD-Veranstaltung mit derart prominenter Besetzung. Gauland fiel in der Vergangenheit durch völkisch-nationalistische, rassistische und den deutschen Faschismus verharmlosende Sprüche auf. So sei das "Dritte Reich" ein "Vogelschiss" in der langen deutschen Geschichte gewesen.

Zu Recht formierte sich gegen diese Veranstaltung Protest. Ein breites Bündnis rief zu einer Gegendemonstration auf und zur Teilnahme an einem "Bürgerfest". Mit mehr als 3.500 Teilnehmer*innen war die Beteiligung ausgesprochen groß. Erfreulich war vor allem die hohe Anzahl junger Leute. Die Vielzahl der selbstgefertigten Pappschilder mit Anti-AfD-Slogans zeigt auch das persönliche Engagement vieler Leute.

Doch auch die AfD konnte ihre Veranstaltung als Erfolg verbuchen. Der Saal in der Orangerie war überfüllt und etliche Anhänger standen vor geschlossener Tür. Gauland wird wohl Recht behalten, wenn er seiner Partei ein "deutlich zweistelliges Ergebnis" bei der hessischen Landtagswahl vorhersagt. Und das, obwohl AfD-Veranstaltungen nicht nur in Darmstadt immer wieder von Protesten begleitet werden.

Moral allein genügt nicht

Aufrufe zu den Gegenveranstaltungen waren vor allem durch eine moralische Ablehnung der AfD-Postionen bestimmt. Der Rechtspartei wird vor allem Rassismus und Antifeminismus vorgeworfen. Vielfalt, Solidarität und Antifaschismus sollte dieser Haltung entgegengesetzt werden. Doch genügt das, um den Aufstieg der AfD zu stoppen?

Wer das zum Ziel hat, müsste sich zuerst einmal fragen, warum diese Partei in den letzten Jahren so stark geworden ist. Das aber wird überhaupt nicht geleistet. Es scheint als wäre eine Horde übler Menschen plötzlich in eine heile Welt eingefallen und wolle alles Positive zerstören. So heißt es im Aufruf der Wählervereinigung Uffbasse: "Wir lassen uns von der AfD den Spaß und unsere Demokratie nicht verderben!" So als ob vielen Wähler*innen der Spaß am derzeitigen Zustand "unserer Demokratie" nicht schon lange vergangen wäre.

Prekäre Lebensverhältnisse und Niedergang der Volksparteien ...

Viele Menschen, die zuvor CDU oder SPD gewählt hatten, müssen seit etwa zwei Jahrzehnten die Erfahrung machen, dass die Volksparteien nicht mehr in der Lage sind, ihnen eine lebenswerte Perspektive zu geben. Prekäre Arbeitsverhältnisse, Abbau des Sozialstaats, unbezahlbare Mieten und drohende Altersarmut prägen das Leben von immer mehr Menschen. Um den Profit des Kapitals zu sichern muss die internationale Konkurrenzfähigkeit hergestellt werden und dafür müssen sie Opfer bringen.

Die Zustimmung zu den etablierten Parteien schwindet und die Unzufriedenheit wächst. Politischer oder gewerkschaftlicher Widerstand gegen die Angriffe des Unternehmerlagers und den Sozialabbau waren bisher meist erfolglos. Die Betroffenen sahen dieser Entwicklung ohnmächtig zu und konnten ihre Interessen nicht wirksam vertreten.

... führen zum Aufstieg der AfD

Der Zustrom von Flüchtlingen aus Kriegs- und Hungergebieten wurde vor diesem Hintergrund von Vielen als Bedrohung aufgefasst und die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen bekam ein Ventil. Die bei vielen schon immer latent vorhandenen fremdenfeindlichen Vorurteile bekamen ein anderes Gewicht, sie wurden salonfähig und mit der AfD erschien eine Partei, die dieses Thema zum Schwerpunkt ihrer Propaganda machte.

In den Demonstrationsaufrufen war die wirtschaftlichen und sozialen Probleme aber kein Thema. Lediglich in der Rede von Ulrike Eifler, der Vorsitzenden der DGB-Region Südosthessen wurden solche Zusammenhänge aufgezeigt. Ansonsten wurde die Politik der AfD fast ausschließlich als Problem für Flüchtlinge, Lesben, Schwule und Transsexuelle dargestellt. Die politische Funktion des Rassismus wird ausgeklammert. Er dient nämlich auch dazu, den von Sozialabbau Betroffenen einen Sündenbock zu präsentieren und von den tatsächlichen Ursachen dieser Entwicklung abzulenken.

Die Verlierer der kapitalistischen Modernisierung sind für die AfD von wachsender Bedeutung. Entsprechend heiß werden soziale Themen zwischen dem wirtschaftsliberalen und dem sozialreaktionären Flügel der Partei diskutiert. Doch die AfD wird die sozialen Belange ihrer Wähler*innen niemals ernsthaft vertreten können. Dazu müsste sie sich mit den Herrschenden anlegen. Das aber wäre verpönter Klassenkampf und widerspräche ihrer völkischen Ideologie.

Rassismus überwinden! Aber wie?

Das aber wäre eine Perspektive für eine linke Opposition. Rassistische Vorurteile lassen sich nicht durch Ächtung und auch nicht durch noch so gut gemeinte Aufklärung allein überwinden. Allenfalls individuell kann es hier Erfolge geben. Wir werden es nicht schaffen, alle Menschen zu aufgeklärten, weltoffenen Menschen zu machen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bestimmen aber nicht zwangsläufig das ganze politische Denken. Es gibt andere Themen und Erfahrungen, die diese Ressentiments in den Hintergrund drängen können. Wichtig wäre es, daher daran zu arbeiten, andere Themen auf die Tagesordnung zu setzen, damit die tatsächlichen Ursachen sozialer Unsicherheit in den Mittelpunkt rücken. Wenn sich die Betroffenen nicht mehr mit ihrer Opferrolle zufrieden geben und gegen Mietwucher und schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen, dann machen sie neue Erfahrungen und der Gegensatz von oben und unten gerät wieder stärker ins Bewusstsein.

Dies gelingt aber nicht, wenn sich in breiten Bündnissen der Widerstand gegen rechts darauf beschränkt, die bestehenden Verhältnisse zu verteidigen oder gar zu beschönigen. Diese sind schon jetzt für viele Menschen unerträglich. Die derzeitige Konjunktur wird nicht endlos anhalten. Dann wird es wieder Massenentlassungen geben, steigende Arbeitslosigkeit, Defizite in den Sozialkassen und weitere Angriffe auf den Sozialstaat. Bloß moralische Appelle gegen den Rassismus der AfD werden noch weniger fruchten und auch migrantischen Beschäftigten bieten sie keine Perspektive. Bei den Demonstrationen zum 1.Mai sind türkische und kurdische Gruppen eine prägende Kraft. Bei dieser Demonstration waren davon nur wenige Einzelpersonen zu sehen. Auch gewerkschaftlich Aktive fühlten sich scheinbar durch die Ausrichtung der Veranstaltungen nicht in großer Zahl angesprochen.

Die Demonstration war wichtig, um der AfD nicht das Feld zu überlassen und um die Gegenkräfte zu bündeln. Wichtig ist aber auch die Diskussion über die Ziele solcher Aktionen. Es kann nicht genügen, jene zu erreichen, die der AfD sowieso ablehnend gegenüberstehen. Wenn der Abstieg der Volksparteien nicht weiter in den Aufstieg der AfD münden soll, müssen wir das Milieu erreichen, aus dem die AfD einen großen Teil ihrer Zugewinne schöpft.

Übernommen aus dem Politnetz Darmstadt