Krieg und Frieden

Teil 1: Der INF-Vertrag stirbt und niemand trauert?

Der zwischen dem US-Präsidenten Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow ausgehandelte und am 1. Juni 1988 in Kraft gesetzte INF-Vertrag war etwas richtig Gutes, ein echter Meilenstein in der langen Geschichte zäher Abrüstungsverhandlungen zwischen den Supermächten, denn erstmals wurden vorhandene Waffensysteme tatsächlich vernichtet. Die USA zerstörte vertragsgemäß 846, die Sowjetunion 1.846 Raketen, bei gleichzeitiger Kontrolle durch die jeweils andere Seite.

Das hat man nun aufgegeben. Einfach so. Beschlossen wurde es von Politikern in Ost und West. Aber was sagte die Bevölkerung in den betroffenen Ländern dazu? So gut wie nichts. Eine breitestmögliche Koalition, eine Volksfront der Ignoranz, Indolenz und Bequemlichkeit - von der AfD über die ehemaligen Volksparteien, die FDP und Grünen bis hin zum Evangelischen Kirchentag und Fridays for Future - hat in diesem unseren Lande grandios versagt.

Das traurigste Bild gab wohl die gerade von Triumpf zu Triumpf eilende, zur Stimme des arrivierten Bürgertums mutierte Ex-Friedens-Partei ab. Über die schon seit 20 Jahren transatlantisch auf Linie gebrachten Grünen, die sich gern an ihrer gefühlten moralischen Überlegenheit hochziehen, erübrigt sich leider längst jedes Wort. Von der alten Garde rang sich Jürgen Trittin gerade noch ein "Back in the Eighties" ab. Dass er, Antje Vollmer und Ludger Volmer jedoch einen ernsthaften Versuch gestartet hätten, die Öffentlichkeit wachzurütteln, davon kann keine Rede sein.

Ist das Ende eines Abrüstungsvertrags womöglich gar nicht so wichtig angesichts des aktuellen Modethemas Klimawandel? Um es gleich am Anfang klarzustellen: Auch ich halte den Umweltschutz für eine Aufgabe, die angegangen werden muss und zwar heute, nicht erst morgen. Aber wir alle sollten uns darüber klar sein, dass Europa nach einem atomaren Schlagabtausch größtenteils nicht mehr bewohnbar sein würde und es dann auf zwei Grad mehr oder weniger im Jahresdurchschnitt tatsächlich nicht mehr ankäme.

Schüre ich grundlos Angst? Wer mir das unterstellen möchte, sollte bedenken, dass die Welt in der Zeit des Kalten Krieges mindestens zweimal am Rand der atomaren Apokalypse stand. Dass es nicht zum Äußersten kam, lag vor allem daran, dass noch ein paar Minuten Zeit vorhanden waren, um die Situation zu prüfen. Wenn die NATO ihre Raketen direkt an die russische Grenze stellt, gibt es diese "paar Minuten" nicht mehr. Mir ist unverständlich, dass 99 Prozent meiner Mitbürger angesichts einer so offensichtlichen und zugleich so schrecklichen Gefahr dermaßen gelassen bleiben können.

Da erscheint schon fast ermutigend, dass es immerhin dieses eine Prozent noch gibt, jene Menschen, die nach wie vor standhaft für Frieden und Abrüstung auf die Straße gehen. Ende Juni demonstrierten 5.000 von ihnen vor der US Air Base Ramstein - als Abschluss und Höhepunkt der diesjährigen Protestwoche gegen diese Drehscheibe der US Kriegspolitik. Ein Friedenscamp mit 800 Beteiligten, ein internationaler Basenkongress sowie weitere gut besuchte Veranstaltung und Aktionen des zivilen Ungehorsams waren vorausgegangen.

Ramstein ist ein entscheidendes Element für den amerikanischen Drohnenkrieg. Hier sind zudem strategische Atomwaffen stationiert. Solange wir dergleichen in unserem Land dulden, machen wir uns mitschuldig an allem, was daraus erwächst. Darum ist es so wichtig, den Protest am Leben zu halten. Die Veranstalter des Friedenscamps haben versprochen, im nächsten Jahr mit noch mehr Menschen wiederzukommen. Ich hoffe sehr, dass schon bald nicht nur 5.000 sondern 50.000 oder noch besser 500.000 Leute demonstrieren, bis die Politiker nicht mehr wegschauen können und das Gerede von der Erhöhung der Rüstungsausgaben verstummt.

Fortsetzung in den nächsten Ausgaben mit den Themen

  • Auslandseinsätze
  • Iran
  • Rüstungsexporte
  • 2% Rüstungsausgaben