Das "Neue Normal"

Allheilmittel Home-Office?

Während Home-Office früher bei der Telekom eine eher geringe Rolle gespielt hat, ist es durch die Corona-Regelungen nun zum Alltag geworden, z.B. im operativen Bereich der DTS GmbH. Der Vorstand spricht inzwischen von einem "Neuen Normal". Man hat Geschmack an der Sache gefunden. ("Der Anteil an mobilem Arbeiten wird deutlich steigen. ... es kann uns in vielen Bereichen produktiver machen. ... die Führungskräfte sind jetzt gefordert ... ihre Teams in dieser neuen Arbeitswelt zu organisieren.") Weniger Kontrolle, dafür mehr Vertrauen und Transparenz sind Schlagworte in diesem Zusammenhang. Das klingt gut.

Untersuchungen zu Home-Office

Aber ist das auch wirklich alles so gut? Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK wertete Daten aus dem Jahr 2019 aus. Bei einer Stichprobe von über 2.000 Erwerbstätigen wird ausschließliche Bürotätigkeit mit Mobilarbeit verglichen. Viele Befragte mit Home-Office lobten selbstständigere Arbeitsplanung, größere Entscheidungsfreiheit, mehr Mitspracherecht, höhere Autonomie. Zwei Drittel gaben an, zu Hause mehr Arbeit bewältigen, drei Viertel, dort konzentrierter arbeiten zu können.

Zum Ausdruck kam aber auch: Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verschwimmt, Erholungsphasen schrumpfen. Private Aktivitäten werden kurzfristig aufgrund beruflicher Verpflichtungen geändert. Home-Office bedeutet keineswegs automatisch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Studie stellte fest: Home-Office-Beschäftigte fühlen sich öfter in ihrem seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt. Etwa 75% berichteten über Erschöpfung, zwei Drittel über Wut und Verärgerung. Auch Nervosität, Reizbarkeit, Lustlosigkeit, Schlafstörungen und Selbstzweifel traten in aller Regel deutlich häufiger auf.

Gesamtbetriebsvereinbarung DTS GmbH

Im Juli 2020 hat der Gesamtbetriebsrat (GBR) die Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) "Mobile Working im operativen Kundenservice der DTS" abgeschlossen. Wichtig: Schwerpunkt der Arbeit bleibt die betriebliche Arbeitsstätte. Der Teamleiter und der Mitarbeiter stimmen sich über die Anwesenheitstage im Home-Office bzw. Büro ab. Planbare Schichtunterbrechungen sind auf Basis beidseitiger Freiwilligkeit zukünftig möglich. Die Kosten für Strom, Internetanschluss, Raumausstattung außerhalb des Betriebs liegen in der Verantwortung der Beschäftigten, eine mobile IT/TK-Ausrüstung wird zur Verfügung gestellt.

Die GBV hat aber auch Tücken. Der operative Bereich der DTS wird zentral gesteuert. Call- und Ticketmengen bestimmen den Rhythmus. Dem selbstbestimmten Arbeiten sind da enge Grenzen gesetzt. Für die Schichtunterbrechungen sind zeitliche Korridore und Kontingente definiert. Das Arbeiten im Home-Office und im Büro soll getrennt ausgewertet werden. Gesichtspunkte: Wie entwickelt sich die Erstlösungsquote? Wie lange dauern Kundengespräche? Wie ist die Flexibilität? Wie hoch ist der Umsatz? Werden die Pausen eingehalten? Wie entwickeln sich die nicht produktiven Zeiten? In einer Regelungsabrede ist vereinbart, dass man 6 Monate beobachten will, ob die Variokontigente (Auf-und Abbau von Arbeitszeit, sprich Callmengen/Bedarfsmengen) ausreichend genutzt werden. Für den Fall, dass die Performance einbricht, ist eine gesamthafte Rückkehr ins Center angedroht.

Unterm Strich ist es eine gute Vereinbarung. Allerdings wurde die eine oder andere Kröte zu viel geschluckt.

Und was macht unsere Gewerkschaft?

In einem Positionspapier vom 29. Juni 2020 hat sich der ver.di-Bundesvorstand mit den Folgen der Corona-Pandemie auseinandergesetzt. Darin wird unter anderem festgestellt, dass die digitale Transformation gerade in vielen Bereichen massiv beschleunigt wird. Viele Menschen finden sich plötzlich über Wochen im Home-Office wieder. Sie arbeiten am Laptop, nehmen an Videokonferenzen teil und betreuen zugleich ihre Kinder, versorgen Angehörigen, kümmern sich um den Haushalt. Mitte April haben 27 Prozent der Beschäftigten überwiegend zu Hause gearbeitet. ver.di kritisiert, dass in der Krise die Umstellung aufs Home-Office meist sehr plötzlich vor sich ging. Die Unternehmen waren nicht vorbereitet. Betriebliche Regeln und angemessene Ausstattung fehlten häufig.

Bei der Telekom ist eine gewerkschaftliche Strategie leider kaum zu erkennen. Das Management lobt den "Sozialpartner". Beide Seiten feiern sich gemeinsam im unternehmenseigenen Intranet. Einige Beiträge sind an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Allerdings war auch der Druck der Beschäftigten hoch: Das Arbeiten von zu Hause spart Zeit (lange Anfahrtswege) und Geld (Benzin). Doch gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung gibt es nur mit starken und mobilisierungsfähigen Gewerkschaften. Zu denken geben sollte das folgende Zitat: "Gerade auch bei unvorhergesehenen Ereignissen wie Streiks bieten sie [flexible Arbeitszeiten und Home-Office] Mitarbeitern die Möglichkeit, an wichtigen Projekten weiterzuarbeiten und Deadlines einzuhalten" (Sven Hennige, Senior Managing Director Central Europe & The Netherlands).

Wir brauchen dringend eine innergewerkschaftliche Diskussion zum Thema Durchsetzungsfähigkeit und Mobilisierungsfähigkeit. Sonst wird es für alle abhängig Beschäftigten ein böses Erwachen geben.